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Leseprobe aus „Franziskas Ferien“


Kapitel 9     Das Kind im Wasser


Dann sind da plötzlich noch andere Schreie. Angstvolle. Als würde jemand um Hilfe rufen, denkt Franziska. Die Schreie klingen richtig verzweifelt. Franziska macht die Augen auf und sieht sich um.

Die Sonne flimmert auf dem Meer. Das gespiegelte Licht blendet, aber trotzdem sieht Franziska sofort die dunklen kleinen Arme, die ein Stück weit draußen mit heftigen Bewegungen auf das Wasser schlagen, so dass sie hinter den Wasserspritzern halb verschwinden. Ein Kind, denkt Franziska, es ertrinkt.

Franziska sieht sich um. Niemand hat das Kind bemerkt. Der kleine Mann und die große Frau zu ihrer Linken dösen beide auf ihren Faltmatratzen mit geschlossenen Augen vor sich hin. Der Mann hat immer noch einen roten Kopf. Vielleicht, denkt Franziska, kam das gar nicht vom Aufblasen, vielleicht hat er nur zu viel Sonne erwischt.

Rechts redet die eine Frau immer noch ohne Punkt und Komma. Es ist die mit den schwarzen Haaren, wie Franziska jetzt erstaunt feststellt, zu dieser Stimme hat sie sich die ganze Zeit die rothaarige Frau vorgestellt.

Auch sonst achtet niemand auf das Kind im Wasser. Der Hochsitz, auf dem eigentlich immer ein Rettungsschwimmer sitzt, ist leer.

Franziska springt auf, wirft schnell ihre Sonnenbrille auf das Badetuch und läuft, so schnell sie kann, über den Sand zum Wasser. Das Kind darf doch nicht einfach ertrinken, denkt sie. Schon ist sie im Wasser, fast knietief, und erst jetzt, plötzlich, fällt ihr ein, dass sie eigentlich ihre Eltern hätte alarmieren sollen. Zu spät, denkt sie, während das Wasser unter ihren Füßen auf alle Seiten spritzt, zu spät umzukehren.

Sie ahnt mehr als sie es sieht, dass ein Stück weit rechts von ihr ein Erwachsener ebenfalls durchs Wasser läuft. Da packt jemand sie von hinten am Arm und reißt sie zurück. Sie erschrickt, sie will sich losschütteln, aber es gelingt ihr nicht. Das Wasser bremst ihre Bewegungen, sie gerät in Schräglage, sie schreit, sie fällt nach vorne mit offenem Mund, das Salzwasser kommt ihr in den Mund und in die Nase. Sie liegt im Wasser und hustet und dreht sich wütend um.

Hinter ihr steht eine Gestalt, nicht sehr groß. Franziska hat noch Salzwasser in den Augen und kann die Welt nur verschwommen sehen. „Was soll das, spinnst du?“, schreit und hustet sie und denkt gar nicht daran, dass das wahrscheinlich unverstanden bleibt. Sie steht wieder auf, schüttelt sich die Haare aus dem Gesicht, fährt sich mit der Hand über die Augen. Erst nach ein paar Sekunden sieht sie verblüfft, dass es einer der Fußballjungs vom Vortag ist. Nicht der, der sie gestern gefragt hat, ob sie heute wieder mitspielt. Es ist der, jetzt fällt es ihr wieder ein, der Yes! gerufen hat, wie sie den ersten Schuss gehalten hat. Sie ist zornig, sie denkt, was das denn für ein saublöder Scherz ist, aber der Junge grinst nicht, sondern schüttelt heftig den Kopf und schaut sie ganz ernst an.


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