| | Heut ist wohl so ein Tag
Ich steh an meinem Fenster und schaue in den Garten.
Kein Wind, keine Sonne, nur Licht.
Nichts bewegt sich, nichts verändert sich.
Auch ich verändere mich nicht.
Auf dem Weg hinter dem Zaun seh ich was Rotes liegen.
Wohl ein Handschuh oder auch ein Portemonnai.
Vielleicht hat ein Kind es verloren.
und ist jetzt traurig, doch mir tut das heut nicht weh.
Heut ist wohl so ein Tag,
wo ich mein Leben versäume,
ein Tag, an dem ich gar nichts tu.
Heut schreib ich keine Briefe,
heut ruf ich niemand an,
meine Tür bleibt heut den ganzen Tag zu.
Heute ist so ein Tag,
wo ich die Stunden verträume.
Heut bring ich nichts zustande, was bleibt.
Kein Lied und kein Gedicht,
heut funktionier ich nicht
und lass mich treiben, wohin es mich treibt.
Die kleine blinde Frau vom Haus schräg gegenüber
erscheint mit ihrem Labrador.
Sie will warten, er will weiterführn.
Sie schimpft, der Hund verdreht sein Ohr.
Schon seit Jahren seh ich diese Frau vorübergehen
und denk immer wieder, ich sprech sie mal an.
Das brächte etwas Farbe in ihr Dunkel.
Doch heut ist nicht der Tag, wo ich sowas kann.
Heut ist wohl so ein Tag,
wo ich mein Leben versäume,
ein Tag, an dem ich gar nichts tu.
Heut spür ich kein Bedauern,
heut mach ich niemand froh,
heute sprech ich nicht und hör niemandem zu.
Heute ist so ein Tag,
wo ich die Stunden verträume.
Heut bring ich nichts zustande, was bleibt.
Heut hab ich kein Gewicht,
heut zeige ich mich nicht
und lass mich treiben, wohin es mich treibt.
Im Zimmer hinter mir liegt ein Schreiben vom Finanzamt.
Darauf müsst ich dringend reagiern.
In der Küche geht das Licht nicht mehr,
das müsst ich endlich repariern.
Das Gerümpel, das schon lang in der Garage steht, _
will ich räumen, bevor es erstmals schneit.
So vieles wär zu tun, aber heute,
nein, heute bin ich zu all dem nicht bereit.
Heut ist wohl so ein Tag,
wo ich mein Leben versäume,
ein Tag, an dem ich gar nichts tu.
Heut führ ich nichts zu Ende,
heut lös ich kein Problem,
heut will ich nichts, ich will nur meine Ruh.
Heute ist so ein Tag,
wo ich die Stunden verträume.
Heut bring ich nichts zustande, was bleibt.
Heut fehlt mir der Elan,
heut fange ich nichts an
und lass mich treiben, wohin es mich treibt.
© 2012 Werner Bönzli, Reichertshausen
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